02.06.2009 / Ausland / Seite 7    Junge Welt

Konfrontation statt Jubel

Vor einem Jahr wurde die demokratische Bundesrepublik Nepal proklamiert

Von Hilmar König, Neu-Delhi

Ein Generalstreik legte am Montag die nepalische Hauptstadt Kathmandu und umliegende Distrikte lahm. Der Verkehr ruhte. Geschäfte und Schulen blieben geschlossen. Organisationen der Newari-Kaste forderten mit dieser Aktion einen autonomen Staat. Am selben Tag verabschiedete die oppositionelle Vereinte KP Nepals (Maoistisch) Protestprogramme, mit denen ab 4. Juni ihre Kampagne zur »Wiederherstellung der zivilen Oberhoheit« intensiviert werden soll. Die Maoisten wollen, daß der Staatspräsident Ram Baran Yadav seine Entscheidung rückgängig macht, den Armeechef Rukmangad Katawal auf dessen Posten zu belassen. Der General hatte sich mehrfach Anweisungen der vorigen, von den Maoisten geführten Regierung widersetzt und war deshalb vom damaligen Premier Pushpa Kamal Dahal Prachanda abgesetzt worden.

Prachanda trat am 4. Mai zurück. Am 25. Mai wählte der Verfassungskonvent (Parlament) Madhav Kumar Nepal von der KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) zum neuen Regierungschef. Die Maoisten boykottieren seit Wochen die Volksvertretung, der sie eine Resolution über die Kontroverse mit Präsident Yadav und General Katawal vorlegten. Doch Subash Chandra Nemwang, der Vorsitzende des Verfassungskonvents, läßt diese Resolution nicht von den Abgeordneten debattieren. Somit stehen die Zeichen weiterhin auf Konfrontation.

In dieser Atmosphäre beging Nepal am 29. Mai den 1. Jahrestag der Republik, die auf Initiative und beharrliches Drängen der Maoisten proklamiert worden war. Doch VKPN(M)-Chef Prachanda blieb den offiziellen Feierlichkeiten fern. Allerdings versicherte er, »auf sehr friedliche und demokratische Art« dafür zu kämpfen, daß der Friedensprozeß und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung nicht unterminiert werden. Präsident Yadav rief zum Republiksjubiläum auf, die Demokratie zu stärken und Konsens zu allen kritischen Problemen anzustreben. Zivile Oberhoheit kann seiner Meinung nach nur erreicht werden, wenn die Fundamente der Demokratie wie Gesetz und Ordnung, Pressefreiheit, unabhängige Gerichtsbarkeit, Meinungsfreiheit und Menschenrechte sich im Handeln und Benehmen der Regierung niederschlagen.

Premier Madhav Kumar Nepal, der noch immer an seiner Koalitionsregierung mit dem bürgerlichen Nepali Congress und den Madhesi-Parteien, aber ohne Maoisten bastelt, möchte, daß Prachanda und seine Genossen der Regierung beitreten und sich aktiv am Friedensprozeß beteiligen. Er will sich für die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Obdach, Kleidung, Bildung und Sicherheit einsetzen, gegen Korruption kämpfen und für Disziplin sorgen.

Mit seinen Koalitionspartnern hat Madhav Kumar Nepal inzwischen ein gemeinsames Minimalprogramm fertiggestellt, in dem die Arbeit an der neuen Verfassung, die Vollendung des Friedensprozesses, die Rehabilitierung der einstigen maoistischen Guerilla sowie ökonomisches Wachstum Kernpunkte sind. Angeblich arbeitet er zugleich an einem »20-Punkte-Volksprogramm«, um die »Herzen der Bürger« (die im April 2008 mehrheitlich die Maoisten gewählt hatten) zu gewinnen. Im Verfassungskonvent begann unterdessen am Sonntag die erste Diskussion von Konzeptpapieren für die neue Verfassung.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/06-02/003.php