Ukraine pokert hoch im Erdgasstreit

Junge Welt 05.01.2009

Russisches Angebot, für halben EU-Markt-Preis zu liefern, weiter ausgeschlagen

Von A. Bekenjow
 
Bei den – ergebnislosen – Gesprächen zwischen der russischen Gasprom und dem ukrainischen Staatsunternehmen Naftogas über die weitere Erdgaslieferung an die Ukraine zum Jahreswechsel ging es um die Frage, wie und wann die Ukraine aufgelaufene Schulden für bereits zugestelltes Gas zahlen wird. Die Ukraine hat gegenüber Rußland Zahlungsrückstände im Umfang von 1,5 Milliarden US-Dollar allein für im Jahr 2008 geliefertes Gas. Den Zeitverzug für die Rückzahlung inbegriffen, würde die Schuld der Ukraine gegenüber Rußland mittlerweile zwei Milliarden Dollar betragen. Gasprom hat der Ukraine unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes einen weit unter dem Weltmarktpreis liegenden Gaspreis von 250 Dollar für 1000 Kubikmeter Gas angeboten.

Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko wollen jedoch nur 200 Dollar je 1000 Kubikmeter zahlen. Zum Vergleich: Turkmenistan und Kasachstan verkaufen 1000 Kubikmeter für 340 Dollar. Inklusvive Transitkosten hätte die Ukraine diesen Ländern 400 Dollar je 1000 Kubikmeter bezahlen müssen. Da die Ukraine nicht auf das russische Angebot eingegangen ist, gibt es nun noch immer keinen Gasliefervertrag für 2009.

Am 30. Dezember erhielt Gasprom einen Brief aus der Ukraine, in dem behauptet wurde, es seien 1,5 Milliarden Dollar auf das Konto des Konzerns überwiesen worden. Nach Gasprom-Angaben ist jedoch kein Geld eingegangen. Außerdem erklärte der Generaldirektor von Naftogas, Oleg Dubin, man werde das russische Gas, das durch die Ukraine transportiert wird, als »herrenlos« deklarieren, da man keinen Vertrag bekommen habe. Dies, obwohl die Ukraine versichert hat, die Versorgung der EU-Staaten in vollem Umfang zu gewährleisten. Am Wochenende meldeten mehrere EU-Staaten einen Rückgang ihrer Gaslieferungen.

Die ukrainische Seite will zudem den Transittarif für Gas nach Westeuropa ändern. Mit Rußland war dafür ein langfristiger Vertrag bis 2011 ausgehandelt worden, demzufolge die Ukraine für das Transitgas 1,60 Dollar für 1000 Kubikmeter pro 100 Kilometer erhält. Das ist ein mittlerer europäischer Tarif. Jetzt will die Ukraine diesen anheben. Die russische Seite hat nach all diesen Vorgängen am 1. Januar 2009 jegliche Gaslieferungen an die Ukraine eingestellt (siehe jW vom 3./4.1.). Gasprom-Vizechef Alexander Medwedew beschuldigte die Ukraine unterdessen, täglich 35 Millionen Kubikmeter Gas zu stehlen. In Berlin forderte er die Europäer am Samstag zu rechtlichen Schritten gegen die Ukraine auf. Diese habe den europäischen Vertrag über die Lieferung von Energieerzeugnissen verletzt.

Präsident Juschtschenko sicherte gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel einen reibungslosen Transport russischen Gases nach Westeuropa zu. Gasprom wiederum hat inzwischen erklärt, man werde die Gaspreise für die Ukraine automatisch auf Weltmarktniveau anheben, sollte sie auf das günstige russische Angebot nicht eingehen. Um den Export nach Westeuropa sicherzustellen, werde man das Erdgas nun verstärkt durch die belarussischen Pipelines leiten.

Quelle: Junge Welt: http://www.jungewelt.de/2009/01-05/013.php