Zwischen Stolz und Diskretion
Israels Medien berichten über die Militärkooperation mit Georgien. Unklarheit über Umfang
Von Knut Mellenthin
Der Krieg im Kaukasus habe »Israels intensive Verwicklung in der Region ins
Scheinwerferlicht gebracht«, schrieb Ynet, die Online-Ausgabe der meistgelesenen
israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth am 10. August. Diese Aussage erstaunt
auf den ersten Blick, da man zu diesem Thema nicht nur in deutschen Medien,
sondern auch in US-amerikanischen kaum etwas findet. Ganz anders in Israel. Zum
einen, weil israelische Medien gewöhnlich alles, was Israelis und andere Juden
irgendwo in der Welt tun, mit einem geradezu familiär anmutenden Interesse
schildern. Im aktuellen Fall kommt unverkennbar auch Stolz hinzu, daß
israelische Geschäftsleute und Militärs an den Ereignissen, die jetzt die Welt
bewegen, ein bißchen mitgedreht haben.
Da liest man etwa in der Tageszeitung Haaretz vom 11. August, was
Temur Jakobaschwili zu sagen hat. Der Mann ist, wie
das Blatt betont, Jude, er spricht fließend Hebräisch und trägt den Titel des
georgischen Staatsministers für Reintegration – ein Euphemismus für die
Rückgewinnung von Südossetien und Abchasien. »Israel kann
stolz auf sein Militär sein, das die georgischen Soldaten ausgebildet hat«,
sagte Jakobaschwili in Haaretz. Dank dieser Ausbildung habe eine kleine Gruppe
georgischer Soldaten »eine ganze russische Militärdivision ausgelöscht«, was
freilich sehr geprahlt ist. »Allein gestern haben wir 60 russische Soldaten
getötet. Die Russen haben mehr als 50 Panzer verloren, und wir haben elf ihrer
Flugzeuge abgeschossen.« Moskau bestätigte bis jW-Redaktionsschluß den Verlust
von vier Kampfflugzeugen.
Daß Israels Rüstungsindustrie stark in Georgien engagiert ist, wurde erstmals
vor einigen Monaten weltweit beachtet, als über Abchasien mehrere unbemannte
Spionageflugzeuge aus israelischer Produktion abgeschossen wurden. Georgien,
dessen überdimensional aufgeblähter Verteidigungshaushalt von den USA
subventioniert wird, hatte mehrere Dutzend davon erworben.
Was sonst noch gehandelt wurde, ist den israelischen Medien nicht präzis zu
entnehmen. Vielleicht fällt da auch einiges der Militärzensur zum Opfer. Sogar
über den Gesamtumfang israelischer Waffenexporte an Georgien herrscht
anscheinend Verwirrung: Ausrüstung im Wert von 500 Millionen Dollar sei seit dem
Jahr 2000 geliefert worden, behauptete Haaretz-Militärexperte Yossi Melman am
10. August. In einem anderen Artikel des Blattes wurde der Wert der Lieferungen
am selben Tag jedoch nur auf 200 Millionen Dollar beziffert. Einig sind sich die
Medien des Landes, daß sich die militärische Zusammenarbeit intensiviert habe,
seit Davit Keseraschwili im November 2006
georgischer Verteidigungsminister wurde. Der junge Mann (Jahrgang 1978) wuchs in
Israel auf und unterhält »starke Verbindungen« nach Israel, wie es in den Medien
heißt.
Das georgische Geschäft ist allerdings hochsensibel, weil
Israel aus einer Reihe von Gründen Rücksicht auf russische Bedenken nimmt. Dazu
gehört zum einen, daß Israel seinerseits immer wieder versucht, Rußland von
bestimmten Waffengeschäften mit arabischen Staaten oder auch dem Iran
abzuhalten. Da wird dann unter Umständen nach diskreten Verhandlungen ein
israelischer Export-Verzicht gegen einen russischen getauscht. Ein zweiter Grund
für Rücksichtnahmen ist, daß israelische Unternehmen auch mit der
Rüstungsindustrie und den Streitkräften Rußlands in großem Umfang
Kooperationsgeschäfte machen. Jeder Waffenexport nach Georgien bedarf der
Genehmigung durch das israelische Verteidigungsministerium. Angeblich dürfen
seit Mai nur noch als »defensiv« eingestufte Waffen geliefert werden, was sich
aber lediglich auf neu abgeschlossene Verträge bezieht.
Sehr wenig erfährt man aus den Medien über Zahl und Auftrag der Israelis, die in
Georgien als Militärausbilder und -berater tätig
sind: ehemalige Offiziere und Geheimdienstleute, die heute
im Dienst privater »Sicherheitsfirmen« stehen. Als zentrale Figur nennt
Melman Brigadegeneral Gal Hirsch, der Truppenkommandeur im Libanon-Krieg des
Sommers 2006 gewesen ist.
Quelle: Junge Welt:
http://www.jungewelt.de/2008/08-12/029.php 12.08.2008 / Schwerpunkt / Seite
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