Stille Vertreibung
Häuserzerstörung und Siedlungsbau
Von Karin Leukefeld
Unbeeindruckt von lokalen, nationalen und internationalen
Protesten setzt Israel seine Politik der Vertreibung von
Palästinensern fort. 37 Palästinenser, darunter 25 Kinder,
verloren in der vergangenen Woche ihr Zuhause, nachdem
israelische Behörden vier Häuser und Wohnungen bei Nablus
und in Ostjerusalem zerstört hatten. Das besagt ein
aktueller Bericht des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer
Angelegenheiten in den besetzten palästinensischen Gebieten.
In Nablus wurde vier weiteren Familien mitgeteilt, daß ihre
Häuser als nächstes zerstört würden. Als Grund gibt Israel
an, die Wohnungen und Häuser seien illegal errichtet worden.
In dem Haus im Ostjerusalemer Stadtteil Jabal Mukabar wohnte
bis zur Zerstörung Samia Ihdaidoon mit Mann und fünf
Kindern. Sie habe noch geschlafen, als die israelische
Polizei in den frühen Morgenstunden an ihre Haustür gepocht
hatte, berichtete die verstörte Frau dem britischen Sender
BBC. Die Polizisten seien durch das Fenster in ihr
Schlafzimmer geklettert, sie habe gedacht, es sei eine
Razzia. Fünf Minuten habe man ihr gegeben, um ihre Sachen
zusammenzupacken. Wenig später liegt das Haus in Trümmern,
schockierte, schreiende und weinende Kinder hängen an der
Frau, die zwischen dem wenigen Hausrat steht, den sie retten
konnte. Israel mache es den Palästinensern in Ostjerusalem
unmöglich, dort zu leben, sagt Osama Zahaika, ein Nachbar
der Frau. Baugenehmigungen würden nicht erteilt, ein
palästinensisches Haus nach dem anderen erhalte den
Räumungsbefehl. »Israel will uns hier nicht«, so Zahaika.
»Es ist eine Art stille Vertreibung.«
Obwohl die Palästinenser rund ein Drittel der Bevölkerung
von Jerusalem ausmachen, lasse man sie nur auf 7,25 Prozent
des Stadtgebietes bauen, kritisiert die Israelische
Gesellschaft für Zivilrechte (ACRI). Hunderte Häuser wurden
in den letzten Jahren zerstört, die
Nichtregierungsorganisation B’Tselem warnt, in den nächsten
Monaten könnte weitere 2000 Häuser das gleiche Schicksal
ereilen. Derzeit läuft in Ostjerusalem die größte
Zerstörungswelle palästinensischer Wohnungen und Häuser seit
dem sogenannten Sechstagekrieg 1967, als Israel
Ostjerusalem, das Westjordanland und die Golanhöhen besetzt
hatte.
Ein Ausschuß des israelischen Innenministeriums hat derweil
den Ausbau der Siedlung Maale Adumim im besetzten
Westjordanland empfohlen, wie der israelische Armeerundfunk
am Sonntag berichtete. Die östlich von Maale Adumim gelegene
Siedlung Kedar soll eingegliedert werden, 1200 Hektar
dazwischen liegendes palästinensisches Land werden
annektiert. Der Ausbau von Siedlungen in den besetzten
palästinensischen Gebieten ist durch UN-Resolutionen,
internationales Recht und israelisch-palästinensische
Abkommen untersagt.