Junge Welt         17.04.2010

Kirgistan auf dem »großen Schachbrett«

Zentralasiatische Länder von zentraler Bedeutung für US-Dominanz

Von Rainer Rupp
 
Obwohl der in der vergangenen Woche gestürzte krigisische Präsident Kurmanbek Bakijew 2005 durch die US-finanzierte »Tulpenrevolution« an die Macht gekommen war, hatte er nie mit Moskau gebrochen. Rußland ist Kirgistans größter Handelspartner. Zudem hat Moskau nicht nur großzügig finanzielle Hilfe, sondern auch militärische Unterstützung gegen islamistische Extremisten garantiert, die die Grenzen bedrohen und ein wichtiger Grund für die Instabilität des zentralasiatischen Landes sind. Zugleich aber konnte das Bakijew-Regime auf Washington zählen, was sich neben politischer Unterstützung in finanziellen Zuwendungen und Waffenlieferungen ausdrückte. So kommt es, daß es in Kirgistan sowohl eine russische als auch eine US-amerikanische Militärbasis gibt.

Trotz etlicher Rückschläge beim Aufbau weiterer US-Stützpunkte in Zentralasien verfolgt Washington mit Energie die bereits 1997 von Zbigniew Brzezinski in seinem Werk »The Grand Chessboard« (Das große Schachbrett) vorgezeichnete Strategie. Ziel ist die US-Dominanz über die Region. Die ist von zentraler Bedeutung für die Bewahrung von Amerikas Status als einziger Weltmacht und unverzichtbarer Nation. Der Grund dafür liegt laut Brzezinski nicht nur in der Kontrolle der riesigen Rohstoffreserven Zentralasiens, sondern auch darin, daß dies die einzige Region sei, wo sich Rußland und China, womöglich noch gemeinsam mit Iran, gegen US-Interessen zusammentun könnten. Da eine solche Allianz für die globalen Machtansprüche Washingtons sehr gefährlich werden würde, müßten die USA den zentralasiatischen Raum beherrschen, den Einfluß Rußlands zurückdrängen und den von China bereits im Keim ersticken.

Durch die Gründung der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) 2001 mit Sitz in Peking, der neben China und Rußland Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan angehören, sah sich jedoch Washington mit einem geschickten und unerwarteten Gegenzug konfrontiert. Im November 2005 mußte die US-Militärbasis Karshi-Khanabad in Usbekistan geschlossen werden, dessen Regierung ohne Angabe von Gründen nach einem SOZ-Gipfel einen entsprechenden Vertrag gekündigt hatte. Erbost machte der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Moskau und Peking für diesen »unfreundlichen Akt« verantwortlich. Im Gegenzug aber hatte sich Washington bereits im Februar 2005 im Rahmen der sogenannten Tulpenrevolution seine Luftwaffenbasis im kirgisischen Manas gesichert. Kirgistan blieb auch unter Bakijew in der SOZ – aber eher als unsicherer Kantonist. Russische Bemühungen, die Amerikaner auch von Manas zu vertreiben, führten lediglich dazu, daß Bakijew doppelt verdiente: Er strich die Hilfe der Russen ein und nutzte zugleich die Gelegenheit, den Amerikanern eine vielfach höhere Jahrespacht für die Basis abzuverlangen.

Nach der vernichtenden Wahlniederlage des »orange« Expräsidenten Juschtschenko in der Ukraine im Februar und mit dem Sturz Bakijews liegt die US-Strategie der »Farben«- bzw. »Blumenrevolutionen« in Scherben. Moskau hat der neuen provisorischen Regierung in Bischkek sofort Hilfe angeboten, weshalb der britische Guardian titelten: »Kirgistan – eine russische Revolution?« Doch schon jetzt steht fest, am Status der US-Basis Manas wird sich bis auf weiteres nichts ändern. Auch wenn die kirgisische Übergangsregierung ankündigte, den Vertrag wegen Korrup­tionsverdacht zu überprüfen. Das Spiel auf Brzezinskis »großem Schachbrett« wird weitergehen.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/04-17/054.php