Obwohl der in der vergangenen Woche gestürzte krigisische
Präsident Kurmanbek Bakijew 2005 durch die US-finanzierte
»Tulpenrevolution« an die Macht gekommen war, hatte er nie
mit Moskau gebrochen. Rußland ist Kirgistans größter
Handelspartner. Zudem hat Moskau nicht nur großzügig
finanzielle Hilfe, sondern auch militärische Unterstützung
gegen islamistische Extremisten garantiert, die die Grenzen
bedrohen und ein wichtiger Grund für die Instabilität des
zentralasiatischen Landes sind. Zugleich aber konnte das
Bakijew-Regime auf Washington zählen, was sich neben
politischer Unterstützung in finanziellen Zuwendungen und
Waffenlieferungen ausdrückte. So kommt es, daß es in
Kirgistan sowohl eine russische als auch eine
US-amerikanische Militärbasis gibt.
Trotz etlicher Rückschläge beim Aufbau weiterer
US-Stützpunkte in Zentralasien verfolgt Washington mit
Energie die bereits 1997 von Zbigniew Brzezinski in seinem
Werk »The Grand Chessboard« (Das große Schachbrett)
vorgezeichnete Strategie. Ziel ist die US-Dominanz über die
Region. Die ist von zentraler Bedeutung für die Bewahrung
von Amerikas Status als einziger Weltmacht und
unverzichtbarer Nation. Der Grund dafür liegt laut
Brzezinski nicht nur in der Kontrolle der riesigen
Rohstoffreserven Zentralasiens, sondern auch darin, daß dies
die einzige Region sei, wo sich Rußland und China, womöglich
noch gemeinsam mit Iran, gegen US-Interessen zusammentun
könnten. Da eine solche Allianz für die globalen
Machtansprüche Washingtons sehr gefährlich werden würde,
müßten die USA den zentralasiatischen Raum beherrschen, den
Einfluß Rußlands zurückdrängen und den von China bereits im
Keim ersticken.
Durch die Gründung der Schanghaier
Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) 2001 mit Sitz in
Peking, der neben China und Rußland Usbekistan, Kasachstan,
Kirgistan und Tadschikistan angehören, sah sich jedoch
Washington mit einem geschickten und unerwarteten Gegenzug
konfrontiert. Im November 2005 mußte die US-Militärbasis
Karshi-Khanabad in Usbekistan geschlossen werden, dessen
Regierung ohne Angabe von Gründen nach einem SOZ-Gipfel
einen entsprechenden Vertrag gekündigt hatte. Erbost
machte der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
Moskau und Peking für diesen »unfreundlichen Akt«
verantwortlich. Im Gegenzug aber hatte sich
Washington bereits im Februar 2005 im Rahmen der sogenannten
Tulpenrevolution seine Luftwaffenbasis im kirgisischen Manas
gesichert. Kirgistan blieb auch unter Bakijew in der SOZ –
aber eher als unsicherer Kantonist.
Russische Bemühungen, die Amerikaner auch von Manas zu
vertreiben, führten lediglich dazu, daß Bakijew doppelt
verdiente: Er strich die Hilfe der Russen ein und nutzte
zugleich die Gelegenheit, den Amerikanern eine vielfach
höhere Jahrespacht für die Basis abzuverlangen.
Nach der vernichtenden Wahlniederlage des »orange«
Expräsidenten Juschtschenko in der Ukraine im Februar und
mit dem Sturz Bakijews liegt die US-Strategie der »Farben«-
bzw. »Blumenrevolutionen« in Scherben. Moskau hat der neuen
provisorischen Regierung in Bischkek sofort Hilfe angeboten,
weshalb der britische Guardian titelten: »Kirgistan – eine
russische Revolution?« Doch schon jetzt steht fest, am
Status der US-Basis Manas wird sich bis auf weiteres nichts
ändern. Auch wenn die kirgisische Übergangsregierung
ankündigte, den Vertrag wegen Korruptionsverdacht zu
überprüfen. Das Spiel auf Brzezinskis »großem Schachbrett«
wird weitergehen.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/04-17/054.php