Der De-facto-Staatsbankrott des angeblich superreichen Emirats
Dubai hat jüngst dazu Anlaß gegeben, auch die unsicheren
Kandidaten in der Euro-Zone genauer unter die Lupe zu nehmen.
Neben Griechenland blieben Irland, Portugal, Italien und Spanien
im Raster hängen. Selbst die britische Staatsschuld gilt längst
nicht mehr als sicher. All diese Länder weisen massive
Haushaltsdefizite auf und gigantische Schuldenberge. Zugleich
stecken sie tief in der Finanz- und Wirtschaftskrise und haben
im Vergleich zu Deutschland noch geringere Hoffnungen auf eine
wirtschaftliche Erholung. Das schwächste Glied dieser Kette ist
ohne Zweifel die Wiege der westlichen Demokratie. Die neue
Regierung in Athen geht mit ganz undemokratischen Mitteln jetzt
unter dem Druck der EU daran, entgegen ihrer Wahlversprechen,
die lohnabhängige Bevölkerung Griechenlands für die von den
neoliberalen Bankstern verursachte Krise bezahlen zu lassen
Kurz vor Weihnachten hatten die drei großen internationalen
Rating-Agenturen, die u. a. die Güte von Staatsanleihen und die
Aussicht auf deren Rückzahlung einschätzen, Griechenland
dramatisch schlechter bewertet. Damit ist die Hellenische
Republik nur noch einen Schritt davon entfernt, daß ihre
Schatzbriefe von den großen institutionellen Anlegern wie
Pensionsfonds oder Versicherungen wegen der damit verbundenen
Unsicherheit nicht mehr gekauft werden dürfen. Griechenland
bekommt schon heute zunehmend Schwierigkeiten, Käufer für seine
Schatzbriefe zu finden, und wenn, dann nur zu viel höheren
Zinsen, die ohnehin nur noch bezahlt werden können, indem das
Land weiter Schulden macht. Laut der griechischen Zentralbank
belaufen sich derzeit die Verpflichtungen bei ausländischen
Kreditgebern auf 403 Milliarden Euro bzw. 168 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. Zugleich muß das Finanzministerium in
diesem Jahr mindestens 56 Milliarden Euro zusätzlicher Gelder
auf den internationalen Finanzmärkten finden, um alte Zinsen und
fällige Schulden zu zahlen.
Der größte Bedarf an neuen Geldern und somit die größte Gefahr
für Griechenlands Zahlungsunfähigkeit besteht in den Monaten
Mai/Juni. Angesichts dieser Entwicklung hat der Euro in den
letzten Wochen zunehmend Schwächen gezeigt, nicht nur gegenüber
dem Dollar, sondern noch stärker gegenüber dem Schweizer Franken
und der Krisenwährung Gold. Hilfe von der EU kann Athen nicht
erwarten. Jürgen Stark, Chefökonom der Europäischen Zentralbank,
betonte jüngst, daß Griechenlands Probleme hausgemacht seien und
es nach EU-Recht keine Möglichkeiten gebe, dem Staat mit
Finanzmitteln unter die Arme zu greifen. Auch Finanzminister
Wolfgang Schäuble betonte, Griechenland müsse »seinen eigenen
Weg« aus der Krise finden. Und Volker Wissing, Vorsitzender der
Finanzausschusses im Bundestag, sagte klar und deutlich, daß
»Deutschland die griechische Schuldenlast nicht übernehmen
wird«.
Wenn keine Hilfe kommt, dann dürfte das den Austritt
Griechenlands aus dem Euro-Währungssystem zur Folge haben.
Weitere geschwächte EU-Kandidaten für den Staatsbankrott könnten
folgen. Der Euro müßte dann auf der Grundlage der verkleinerten
Euro-Zone neu bewertet werden. Nach einigen heftigen Tumulten
auf den Währungsmärkten ist zu erwarten, daß sich der neue Euro
wieder stabilisiert und gestärkt aus der Krise hervorgeht.
Länder, die anders als Deutschland ihre Wettbewerbsfähigkeit
nicht durch Kürzung der Löhne und sozialen Leistungen verbessert
haben, müßten dann im gemeinsamen Währungskorb nicht mehr
mitgeschleppt werden. Das ist das Kalkül, das laut Meldungen in
FDP- und CSU-Kreisen bereits ganz offen diskutiert wird. Deshalb
soll an Griechenland ein Exempel statuiert werden. Athen bleibt
daher nur die Alternative, sich entweder dem neoliberalen Diktat
Brüssels und des Internationalen Währungsfonds zu unterwerfen
oder den Euro aufzugeben und sich wieder auf seinen nationalen
Wirtschafts- und Sozialraum zu besinnen. Der ist die letzte
Verteidigungslinie gegen den globalen Neoliberalismus.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/01-14/044.php